Bericht zur Jahrestagung der DGSP-N 2018
vom: 05.07.2018
»Die verschwundenen Menschen in (geschlossenen) Heimen – Wer fragt nach?«
Bericht zur Jahrestagung der DGSP-N 2018
Am 21. Juni 2018 fand in der Psychiatrischen Klinik in Lüneburg die Jahrestagung des Landesverbandes Niedersachsen der DGSP (DGSP-N) statt, an der ca. 100 Personen teilnahmen. Gemeinsam wurde von Angehörigen, Psychiatrie-Erfahrenen und Mitarbeitenden aus der Gemeindepsychiatrie die Frage nach den verschwundenen Menschen in (geschlossenen) Heimen gestellt.
Ziel der Tagung war es, das Thema der geschlossenen Heimunterbringung kritisch und differenziert darzustellen sowie mit allen Beteiligten zu diskutieren, um die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema voranzutreiben.
Nach Begrüßung durch die Ärztliche Direktorin der Psychiatrischen Klinik Dr. Angela Schürmann, den Lüneburger Bürgermeister Eduard Kolle, Guido Klumpe von der Stiftung Anerkennung und Hilfe und den Landesvorsitzenden der DGSP-N David Korting führten Folke Sumfleth (Vorstand DGSP-N) und Ansgar Piel (Sozialministerium Niedersachsen) mit einem lebhaften Vortrag in die komplexe Thematik ein. Dabei wurden mehrere Fallbeispiele skizziert, ein Überblick über zentrale Aspekte wie z.B. die UN-Behindertenrechtskonvention oder das Verfahren einer geschlossen Unterbringung gegeben sowie Ansätze für kreative Lösungen vorgestellt.
Um die verschiedenen Perspektiven der beteiligten Personen transparent zu machen, erfolgte nach der Einführung in die Thematik eine von Sebastian Stierl moderierte Diskussionsrunde, an der eine Angehörige, zwei Psychiatrie-Erfahrene, ein psychiatrischer Gutachter, ein gesetzlicher Betreuer, eine Leitung einer Obdachlosenunterkunft, ein Krankenpfleger einer geschlossen geführten psychiatrischen Station sowie eine Psychiaterin aus einem Sozialpsychiatrischen Dienst teilnahmen.
Im Anschluss wurden von Christian Ueter (Langenfeld) und Dirk Müller (Stuttgart) zwei alternative Versorgungskonzepte vorgestellt. Das »Modellprojekt Inklusion« aus Langenfeld strebt für Menschen mit besonderen und komplexen Hilfebedarf individuelle Lösungen an, welche auf Grundlage eines netzwerkorientierten und gemeindenahen Angebots erfolgen sollen. In der »Versorgungslandschaft Stuttgart« wird die regionale Verantwortung für die Schwerstkranken praktisch umgesetzt. Um eine regionale Versorgungsverpflichtung realisieren zu können, wird beispielsweise ein besonderer Anspruch an ein kontinuierliches Fallmanagement und regelmäßige Hilfeplankonferenzen gestellt.
Mehrere Workshops am Nachmittag eröffneten die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen und die Impulse des Vormittags zu vertiefen. So gab es Gelegenheit, mehr über das »Modellprojekt Inklusion« und die »Versorgungslandschaft Stuttgart« zu erfahren. Daneben wurden in einem Workshop Ideen entwickelt, wie schwer belastete Lebenssituationen auch ohne (geschlossene) Heimunterbringung bewältigt werden können. In einem weiteren Workshop wurden die Chancen und Grenzen des neuen Konzeptes der »stationsersetzenden Behandlung« diskutiert. Hier zeichnet sich nach den ersten Erfahrungen eine Möglichkeit ab, Menschen die notwendige Krankenhausaufnahme zu ersparen und sie in den eigenen vier Wänden zu behandeln.
Für einen gelungenen Abschluss sorgte die »Wortwerkerin« Hannah Rau, die als Tagungsbeobachterin die Veranstaltung begleitete und mit einem »Assoziationstsunami« den Verlauf der Tagung eindrucksvoll durch SlamRecording (PoetrySlam) zusammenfasste.
Heimunterbringungen dürfen unter keinen Umständen als einfache Lösung für komplexe Unterstützungsbedarfe angesehen werden. Ein solches Denken schafft falsche Anreize und hemmt den Mut, gemeinsam nach neuen Lösungen zu suchen. Denn wie schon der DGSP-Fachausschuss »Wohnen« in den DGSP-Denkanstößen schreibt:
»Wer komplexe Probleme hat, hat kaum Alternativen zum Heim, zur fremd organisierten Lebensweise, oder doch?«
zu den Tagungsfolien "Einführung in die Thematik" als PDF